Spezielle Relativitätstheorie




 
Die Aussagen des letzten Kapitels lauteten:
  • Es existiert kein ausgezeichnetes Inertialsystem IS,
  • Inertialsysteme unterscheiden sich gegenseitig nur durch ihre Relativgeschwindigkeit u.
Daraus ergab sich die Transformationsgleichung zwischen Inertialsystemen (Galilei-Transformation):
Wir wollen zur Vereinfachung der Schreibweise jetzt das Koordinatensystem so drehen, daß die x-Achse in Richtung von u zeigt. Dann lautet allgemein die Galilei-Transformation 
Jetzt ist auch die Zeit mit einbezogen! Die Galilei-Transformation nimmt nämlich stillschweigend an, daß t in allen IS gleich schnell abläuft, denn sonst würde 
sein.

Läßt sich das experimentell überprüfen? (Man sollte nie physikalische Gesetze ohne experimentelle Prüfung akzeptieren!)

Experimentelle Prüfung bei kleinen
Geschwindigkeiten  (c = Lichtgeschwindigkeit):

Solch ein Experiment kann jeder selbst durchführen. Halte einen Bleistift mit der Hand (IS) auf ein Papier, und bewege mit der anderen Hand (IS') das Papier mit gleichförmiger Geschwindigkeit u unter dem Bleistift weg. Die Länge dx' des Strichs, den der Bleistift im Zeitintervall dt auf das Papier (IS') gezeichnet hat, ist gleichlang aber von umgekehrter Richtung wie die Strecke, die das Papier im System IS zurückgelegt hat:

-> offensichtliche experimentelle Bestätigung der Galilei-Transformation.

Experimentelle Prüfung bei großen Geschwindigkeiten 

Es ist klar, daß wir obiges Experiment nicht bei den geforderten hohen Geschwindigkeiten durchführen können (einer der Gründe, warum uns die spezielle Relativitätstheorie so wirklichkeitsfremd erscheint). Aber mit heutigen Beschleunigern, die Teilchen auf fast Lichtgeschwindigkeit beschleunigen, sind solche Experimente möglich:

Am instruktivsten: Elektromagnetischer Zerfall des neutralen 
Unabhängig von der Geschwindigkeit u der Pionen legen die 2 "Lichtquanten" in gleichen Zeitintervallen  immer gleiche Strecken zurück.
Wir hatten erwartet:

-> offensichtlicher experimenteller Widerspruch zur Galilei-Transformation.

Folgerung, da die Lichtgeschwindigkeit offensichtlich unabhängig von der Relativgeschwindigkeit u zwischen den Inertialsystemen ist:

Die Lichtgeschwindigkeit hat in allen Inertialsystemen denselben Wert c.
Die spezielle Relativitätstheorie wurde 1905 von A. Einstein entwickelt. 
Seine erste Veröffentlichung in den
"Annalen der Physik"
trägt den Titel:
"Zur Elektrodynamik bewegter Körper"
Dies zeigt, daß sich elektromagnetische Phänomene (z.B. Licht) besonders gut zur Verifikation dieser grundlegenden Theorie eignen.

Der experimentelle Nachweis über die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wurde erstmals von

Michelson und Morley, 1887
durchgeführt.

Ein ähnliches Experiment führen wir auch durch:

Michelson-Morley Experiment im Hörsaal
 
 

Am leichtesten verständlich ist ein Experiment mit neutralen -Mesonen, das unten skizziert ist:

Das zerfällt in 2 Quanten, die im System IS' (lab-System) nachgewiesen werden. Im Eigensystem (IS) des Pions  werden die beiden Quanten kollinear (wegen der Impulserhaltung!) mit den Geschwindigkeiten c emittiert. Der Effekt ist am überzeugensten, wenn man die Fluggeschwindigkeit u des  im lab-System so wählt, daß sie die gleiche Richtung wie c hat. Dann erwartet man für den Weg dr', den die Quanten im Zeitintervall dt im lab-System zurücklegen (beachte dr = c · dt im Eigensystem des Pions):

dr+' = (c + u) · dt und dr-' = (c - u) · dt

oder wenn beide Detektoren gleich weit vom Zerfallsort entfernt sind (was experimentell einfacher ist) eine Zeitdifferenz im Nachweis von

.
Dies wird nicht beobachtet, sondern es ist immer (auch wenn die beliebige Geschwindigkeiten haben):

Zur Erweiterung der Galilei-Transformation benutzten wir genau diese Beobachtung:
           x = c · t         aber auch          x' = c · t '
Wir vermeiden also auch die (ungeprüfte) Behauptung, daß die Zeit in allen IS gleich schnell abläuft. Das IS hat gegen das IS' die Relativgeschwindigkeit u, das IS' hat gegen das IS die Relativgeschwindigkeit -u.

Eine naheliegende Erweiterung der Galilei-Transformation besteht darin, sie mit einem Faktor zu multiplizieren, der für kleine Relativgeschwindigkeiten gegen 1 gehen muß.

und ebenso
Für die Ausbreitung mit Lichtgeschwindigkeit (z.B. der  beim -Zerfall) ergibt sich im IS und IS':
Also ist 
Wegen gilt die äquivalente Transformation auch für die Zeit:

Die Geschwindigkeit, mit der sich ein Körper in dem Inertialsystem IS bewegt, ist weiterhin definiert als
Derselbe Körper, vom System IS' aus gesehen, das sich relativ zu IS mit u bewegt, hat die Geschwindigkeit
Wie hängt  mit  zusammen?

Dieser Zusammenhang ergibt sich unmittelbar aus den obigen Definitionen und der Lorentz-Transformation (nach einer etwas länglichen Rechnung) zu:

Additionstheorem der Geschwindigkeiten:

Wichtig:
Falls , dann ergibt sich

-> Die Lichtgeschwindigkeit hat in allen Inertialsystemen denselben Wert. Dies war der Ausgangspunkt für die Herleitung der Lorentz-Transformation, aber es ist gut zu sehen, daß diese Transformation in der Tat auch diese Forderung erfüllt.

Wir haben somit eine Transformation zwischen Inertialsystemen erhalten, die eine konstante Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen garantiert, und die für kleine Relativgeschwindigkeiten  u  () in die Galilei-Transformtion übergeht.
Lorentz-Transformation
Galilei-Transformation
Kommentare:

1.Die Zeit tritt neben dem Ort als gleichberechtigte Größe in den Lorentz-Transformationen auf -> Ende der absoluten Zeit. Man spricht von einem 4-dimensionalen Raum-Zeit Kontinuum, dem Minkowski-Raum.

2. Die Transformationgleichungen für IS -> IS' sind identisch zu denen für IS' -> IS, wenn  durch - ersetzt wird.

3. Die maximale Relativgeschwindigkeit, die ein Inertialsystem besitzen kann, ist  = 1 (d.h. u = c). Für Geschwindigkeiten  > 1 wird die Meßgröße  imaginär: Dies ist unmöglich! c ist daher auch für jeden Körper prinzipiell die maximal erreichbare Geschwindigkeit.

Wichtige Folgerungen aus der Lorentz-Transformation sind:

Zeitdilatation und Längenkontraktion (siehe rechte Seite)

Und jetzt einige Simulationen, bei denen diese Effekte sichtbar werden:

Simulation relat. Effekte online
Simulation relat. Effekte online
 

1. Zeitdilatation
Wir betrachten ein Zeitintervall  im Ruhesystem IS der Uhr (x2 = x1). Das entsprechende Zeitintervall ' in einem dazu bewegten System IS' ist:
Das Zeitintervall Delta t im Ruhesystem der Uhr erscheint in einem zur Uhr bewegten Inertialsystem vergrößert: "Bewegte Uhren gehen langsamer" -> Zeitdilatation.

2. Längenkontraktion
Das Längenintervall in einem zum Ruhesystem IS des Maßstabs bewegten Inertialsystem beträgt  für t2' = t1' (Messung von x1',x2' erfolgt gleichzeitig in IS').
Das entsprechende Längenintervall in IS ist daher:

Das Längenintervall Delta x im Ruhesystem eines Maßstabs erscheint in einem zum Maßstab bewegten Inertialsystem verkleinert: "Bewegte Maßstäbe erscheinen verkürzt" -> Längenkontraktion.

Haben Sie's gemerkt: Der Unterschied zwischen beiden Aussagen wird durch die unterschiedliche Spezifikation von Gleichortigkeit (IS) und Gleichzeitigkeit (IS') hervorgerufen.

Diese Folgerungen sind durch die Höhenstrahlung experimentell bestätigt (Beta-Zerfall des Myons).
 

Die Aussage über die maximale Geschwindigkeit aller Körper bedarf der experimentellen Bestätigung. Diese ist, wegen ihrer kleinen Masse mo = 0.0005 u, am leichtesten mit Elektronen durchzuführen, die durch eine elektrische Kraft FC beschleunigt werden:
p und v, bzw ,  können unabhängig voneinander gemessen werden. Es ergibt sich für das Massenverhältnis
Das Ergebnis ist auf der linken Seite dargestellt.
 
Für die relativistische Masse eines Körpers gilt:

Für den relativistischen Impuls eines Teilchens gilt:

Beachte:
Die Vergrößerung der relativistischen Masse ist nur scheinbar und entsteht wegen Veränderung der Raum-Zeit bei der Transformation IS -> IS'. Die träge Masse wird nicht verändert.

  • Für die gemessene Geschwindigkeit gilt v < c .
  • Die gemessene Masse m wird mit v größer:

Man bezeichnet m0 als die Ruhemasse eines Teilchens für v = 0.Für die relativistische kinetische Energie eines Teilchens gilt:
Dies ergibt nach einer etwas länglichen Rechnung, nachdem man den Ausdruck für die relativistische Masse eingesetzt hat:
Man bezeichnet als die relativistische Gesamtenergie eines Teilchens,
die Ruheenergie eines Teilchens ist .
Daraus ergibt sich:
Ekin = E - E0
Das Verhalten von E und Ekin sind links dargestellt.
E = mc2
ist wohl eine der bekanntesten physikalischen Gleichungen in der Welt. Sie besagt, daß jeder Masse eine Energie entspricht, die z.B. in dem Gesetz von der Energieerhaltung mit berücksichtigt werden muß. Die "Atombombe" ist wohl der experimentelle Gültigkeitsnachweis, der jedem bekannt ist.
In der klassischen Näherung ( -> 0) gilt

d.h. wir erhalten den klassischen Ausdruck für Ekin!
Die relativistische Gesamtenergie kann auch durch den relativistischen Impuls ausgedrückt werden. Es gilt:
Es ist (nachrechnen mit Hilfe von )
->

oder

 
 
 
 
 



Wir verlassen nach unserem kurzen Ausflug wieder die spezielle Relativitätstheorie, denn das Ziel dieser Vorlesung ist erreicht:
Beachte folgende Äquivalenz:
ist invariant gegen Lorentz-Transformationen
(m0 = Ruhemasse, "Teilchen ruht")
ist invariant gegen Lorentz-Transformationen
( = Eigenzeit, "Uhr ruht")
->  ist Vierervektor im Minkowski-Raum
->   ist Vierervektor im Minkowski-Raum
Die Quadrate von Vierervektoren  sind Lorentz-invariant, wenn 
Die Lorentz-Transformation zwischen Vierervektoren lautet
insbesondere für den Energie-Impuls-Vierervektor
  • Das Konzept der Inertialsysteme gilt weiterhin: Die physikalischen Gesetze sing gültig in allen Inertialsystemen.
  • Physikalische Größen werden von einem zum anderen Inertialsystem mit Hilfe der Lorentz-Transformation übertragen.
  • Die Galilei-Transformation stellt die Näherung der Lorentz-Transformation für kleine Relativgeschwindigkeiten dar.
Die Folgerungen:
  • Die physikalischen Gesetze müssen in einem 4-dimensionalen Raum (Minkowski-Raum) formuliert werden.
  • Physikalische Größen entsprechen Vierervektoren im Minkowski-Raum, deren Quadrate Lorentz-invariant sind.
Unsere Aufgabe wäre jetzt, zu den bisher bekannten Größen die entsprechenden Vierervektoren zu finden, und die physikalischen Gesetze durch Verknüpfung von Vierervektoren so zu formulieren, daß sie konsistent mit der Lorentz-Transformation werden. Diese Aufgabe geht über den Stoff dieser Vorlesung hinaus. Wir betrachten daher von jetzt ab nur solche Naturvorgänge, bei denen die Relativgeschwindigkeiten genügend klein sind -> klassische Physik. Wir werden uns aber in der Vorlesung "Physik2" noch einmal ausführlich mit der speziellen Relativitätstheorie beschäftigen: Magnetische Felder entstehen durch Transformationen zwischen Inertialsystemen aus elektrischen Feldern, und umgekehrt.

Noch Fragen dazu?